Vom Wert des Abschneidens
Folge 3 · über Liebe und Beziehungen · Freude braucht Raum
Frauen in ihren fruchtbaren Jahren haben es gut. Sie haben die monatliche Blutung. In den Tagen vor dem Abstoßen des ungebrauchten Gewebes, verengen sich ihre Pupillen, das Hormonsystem schaltet um auf “Nicht lieb!” und das unzufriedene Weib beginnt akribisch wahrzunehmen, was ihr - übrigens schon den ganzen Monat! - gewaltig stinkt. Dann hebt sie, und ich spreche hier vom optimalen Fall, mit progressiv aufsteigendem Groll das Schwert auf … und schneidet durch!
Loslösung ist angesagt und das von allem, was ihr nicht gut tut. Alles, was nicht richtig ist, was schmerzt, zu nichts führt, nichts bringt, schwächt, stört, nervt, schlicht falsch ist, muss ab und weg! Es muss aufhören. Am besten sofort. Wenn es mit wenigen freundlichen Worten geht, gut. Wenn nicht, braucht es eben den Streit.
Es ist eine großartige Zeit, Schränke und Schubladen auszuräumen, am besten mit einem großen Papierkorb daneben. Hinterher ist nichts mehr in der Schublade und alles im Mülleimer. Die Stehrumchen, die irgendwelche Bekannten aus dem mittleren Orbit vor zwei Jahren, in Geschenkpapier eingewickelt, bei uns abgeladen haben und die seither sinnlos auf der Kommode Staub fangen, fliegen raus. Postkarten, nur der große Guhl weiß noch von wem, raus! Im Sekundentakt. Die neue Hose, für die ich 3 Kilo abnehmen muss. Raus. Die ewig ungetragene Krawatte, hopp! Es ist das monatliche Auskämmen des Lebens mit dem Läusekamm. Falls Sie zu den Ängstlichen gehören, stellen sie die Mülltüte später vor die Türe und warten 24 Stunden, ob noch etwas zurückgerettet werden muss. Selten genug.
In Ermangelung eines besseren Verständnisses der energetischen Prozesse, haben Männer für dieses regelmäßige Phänomen bei Frauen den Begriff der “PMS” - Prämenstruelles Syndrom - erfunden. Von ‘Syndrom’ ist in der Medizin die Rede, wenn man den Mangel an Verständnis eindrucksvoll zu vertuschen sucht. Hätte eine Frau nämlich sehr gute Gründe, gestört zu sein, sähe man möglicherweise selbst nicht gut aus. Kann das überhaupt sein? Da in einer Woche ihr Hormonsystem ohnehin wieder auf “dulden” schaltet, erscheint Aussitzen einfacher, als Kritik annehmen und etwas ändern.
Dabei ist es eine sehr positive Energie, die sich da Bahn bricht. Die Analogie zur Auslese der Früchte im Herbst nach der Ernte bietet sich an. Die Guten ins Töpfchen, die schlechten ins Kröpfchen. Soll sich doch daran erfreuen, wem auch immer das noch taugt.
Man selbst bewahrt keine verdorbenen Früchte auf.
Man sortiert sie aus.
Männer in intimen Beziehungen laufen in der Regel mit ihrer Geliebten synchron und können diese Energie der Loslösung jeden Monat mitnutzen, um sauber loszuwerden, was sie belastet. Alleinstehende Männer sind hoffentlich zu jeder Zeit konfliktbereit genug, um störende Einflüsse sofort abzuschneiden, sobald diese auftauchen. Die Erkenntnis genügt. Danach ein Wort und sofort ist wieder mehr Raum im Leben.
Klatschen Sie in die Hände! Wenn es dumpf klingt, ist der Raum um Sie herum zugemüllt.
Kollegen, die sich ein bisschen zu viel herausgenommen haben in letzter Zeit, werden in deutlichem Ton wieder richtig verortet - etwas weiter weg. Diese seltsame Liebschaft, die seit Monaten mauschelige, undurchsichtige Gefühle in mein Leben einschleppt und mir mehr Stress bereitet als gute Gefühle, braucht ebenfalls den Schwertschlag. Ab. Je mehr auf einmal abgeschnitten wird, desto größer und spürbarer ist der Effekt.
Wir erleben das Leben in Raum und Zeit. In einem guten Lebensraum befinden sich emotional saubere Erinnerungsgegenstände. Alle Gegenstände, die uns umgeben, wecken Gedanken und Gefühle - jedes Mal, wenn wir sie sehen. Besser sie stärken uns. Wenn nicht, weg damit!
Unsere Lebenszeit ist die kostbarste Ressource überhaupt. Für Menschen, mit denen jede verbrachte Sekunde zu 100% sinnvoll, heilsam und angenehm ist, benötigen wir Zeit. Es mag sein, dass man geschäftlich zu Geduldsübungen verpflichtet ist, aber die Stunden des Tages, über die man selbst herrscht, müssen für die besten Begegnungen und Aktivitäten reserviert bleiben.
Bei gegenwärtig über acht Milliarden Menschen auf der Erde kann man riskieren, unklare und seltsame Menschen aus dem eigenen Orbit herauszuschießen. Die Wahrscheinlichkeit, dass schon im nächsten Augenblick jemand Neues den leeren Raum zu füllen sucht, ist groß. Die Bevölkerungsdichte in Europa ist schlicht hoch und das Universum kennt kein Vakuum. In leere Räume strömt sofort Neues ein.
Das Beste ist: Nichts daran ist schlimm oder überhaupt spektakulär.
Es ist der vollkommen natürliche Lauf der Dinge.
Wenn man sich dafür entscheidet, ein glückliches Leben zu führen - und das sollte man - gehört es dazu, dass man Menschen, Gegenstände und Situationen auch wieder verabschiedet, wenn ihre Zeit um ist.
Nicht jeder, der an seinem guten Tag ein nettes Wort zu mir gesagt hat, muss zur dauerhaften Institution werden. Wählen Sie Ihre Beziehungen danach aus, was Ihnen jetzt und hier gut tut. Wenn man nicht den ganzen Menschen sofort komplett feuern kann, weil man zum Beispiel fünf Kinder mit ihm hat und ein schwerwiegendes Dokument die Beziehung beurkundet, ist es trotzdem von Zeit zu Zeit nötig, klar zu sagen, welche Aspekte man in der Beziehung nicht mehr erleben möchte. Jeder Vogel hält sein Nest sauber.
Wie jede Blüte welkt und jeder Schnee schmilzt, ist Wandel ein Ausdruck von Lebendigkeit. Einatmen. Pause. Ausatmen.
Endlos Untote mit sich herumzuschleppen, verbraucht viel Kraft. Alles anfangs Gute weicht irgendwann dem Verfall. Das ist normal. Es ist der Entropie geschuldet, dass sich das Lebensspielfeld ständig zuspielt mit Kram, leblosen Routinen und Leuten. Man findet sich wieder mit den Kopf voller Verpflichtungen: Jener hat Geburtstag, dieser lädt zu irgendeiner Feier, beim Dritten wollte man sich noch für das ungebetene Geschenk bedanken. Was gehört eigentlich wirklich zu mir? Worüber freue ich mich wirklich? Wie ist das überhaupt gekommen? Kann es sein, dass ich es nicht mehr will? Kann es sein, dass ich es auch nicht ändern will, sondern einfach nur loswerden?
Die Liebe und die Freude brauchen in regelmäßigen Abständen das hilfreiche Schwert. Unzufriedenheit und störende Gefühle zeigen klar an, welcher Bereich ab muss. Es ist nicht jeder im Leben dazu da, dass man sich geduldig an ihm abarbeitet und Verständnis aufbringt bis zum letzten Tag. Manchmal besteht die Aufgabe kurz und knapp darin, ruhig, entschlossen und klar “Nein” oder “Leb wohl!” zu sagen. Oft genügt sogar, es nur zu denken. Die Dinge ändern sich eben.
Das Schwert schwingen kann nicht, wer immer nur nett sein will
Harmoniesüchtige tendieren dazu, fremder Leute Leben zu leben und nicht ihr eigenes. Man kann sich diese Lebensweise rational zurecht reden, doch das Herz unterscheidet zwischen echter Freude und bloßen Geduldsübungen. Wer in Beziehungsdingen nicht fähig ist, Schluss zu machen, wird krank.
Nur ein Leben, das angefüllt ist mit schönen Dingen und sinnvollen Beziehungen, kann ein glückliches Leben sein. Die Entscheidung ist nicht so schwierig: Man mag es, oder man mag es nicht. Das Herz weiß, wo der Kopf nur hirnt. Erwischen Sie den richtigen Moment und Zack! Loslassen und kraftvoll abschneiden.
Das Gefühl der Befreiung ist großartig!
Reinigendes Gewitter.
Stellen Sie sich einen Tisch vor, der mit schmutzigem Geschirr vollsteht. Die Aschenbecher quellen über, die Party ist vorbei. Man kann da nicht ein frisch gekochtes, schön angerichtetes Mahl am Rand dazu quetschen und gediegen essen, so dass es gut wirkt. Man könnte, nur nähme dann das Gute den geringsten Platz ein.
Machen Sie reinen Tisch!
Danach:
Legen Sie eine saubere Tischdecke auf.
Und genießen die Leere.
Nach einer Weile - keine Eile - stellen Sie eine Vase mit klarem, sauberen Wasser hin.
Und warten ab.
Bis Ihr Auge eine atemberaubend schöne Blume sieht.
”Zufällig” sind Sie dann bereit und können ihr den prominenten Platz in Ihrem Leben einräumen, den sie verdient. Auf meinem Tisch nur Schönes. So einfach.
Wie ist das?